Düstere Zeiten für ein Top-Rennteam


Am Rande der bayrischen Alpen, nicht weit entfernt von der österreichischen Grenze und dem Eagles Nest, befindet sich Schnitzer Motorsport. In dieser Gegend würde man eher eine Bratwurst- oder Trachtenmanufaktur vermuten, aber kein international agierendes Rennsportteam, dessen Erfolge über Jahrzehnte hinweg seinesgleichen sucht. 



Mehrere hundert Kilometer entfernt von der nächstgelegenen deutschen Rennstrecke arbeiten etwa 20 Mitarbeiter am Erfolg der “Meistermacher“. Namen wie Walter Röhrl, Hans-Joachim Stuck, Roberto Ravaglia und Jacques Laffite oder in jüngeren Jahren Augusto Farfus und viele andere mehr verbindet man mit der Erfolgsgeschichte von Schnitzer Motorsport.

Drei ambitionierte Brüder, die zunächst mit der Unterstützung von Opel, später mit dem Support von BMW bei Bergrennen starteten, bevor man sich der Rundstrecke verschrieb. Selbstverständlich wurden bereits im Rahmen der Bergrennen Meisterschaften gewonnen, sogar gleich viermal in Folge.

 

Zu Beginn der 70er Jahre startete Schnitzer in der deutschen Rennsportmeisterschaft vorwiegend mit Autos der Marke BMW, aber auch vereinzelt mit Toyota. Der 1977 eingesetzte BMW 320 Turbo verfügte über einen bei Schnitzer BMW in Freilassing entwickelten Turbo-Motor. Das Bauen der Motoren war keine neue Erfahrung für die Mannschaft aus Freilassing. 1975 gewann der Franzose Jacques Laffite die Formel-2 Europameisterschaft mit einem von Schnitzer hergestellten Motor. Wobei dieser Motor tatsächlich bei Schnitzer in Freilassing gefertigt wurde, nicht bei BMW in München!

1976 gewann man zwei Läufe zur Sportwagenweltmeisterschaft, die 1000km am Nürburgring und die 1000km von Zeltweg mit dem BMW 3,5CSL, unter anderem mit den Fahrern Albrecht Krebs, Gunnar Nilsson und Dieter Quester.

Insgesamt neunmal gewann man das ehrwürdige Rennen in Macau, dreimal wurde das Team Tourenwagen-Europameister. Je fünfmal gewann man die 24 Stunden von Spa-Francorchamps und die 24 Stunden am Nürburgring. Im Jahr 1987 wurde Roberto Ravaglia Tourenwagen-Weltmeister in einem BMW M3. Weitere nationale Siege der Tourenwagenmeisterschaften in Deutschland, UK und sogar Japan folgten, ehe Joachim Winkelhock und Johnny Cecotto 1995 und 1998 deutscher Super-Tourenwagenmeister wurden.

 

1999 dann das Highlight in der 57 jährigen Firmengeschichte: Schnitzer Motorsport gewann mit dem BMW V12 LMR die 12 Stunden von Sebring und die 24 Stunden von Le Mans. Hierbei muss man erwähnen, dass man einen Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans nicht im Geschäft kaufen kann, sondern, dass ein Sieg bei diesem prestigeträchtigen Rennen harte Arbeit, eine gute Vorbereitung und neben brillanten Fahrern und einem perfekt arbeitendem, harmonischen Team auch ein Quäntchen Glück voraussetzt. Herbert Schnitzer sen. spricht im Interview mit dem Strada Magazin von dem berühmten Drittelmix Fahrer-Team-Glück.

 

Nur 2 Jahre später gewann Schnitzer mit dem BMW M3 GTR die American Le Mans Series in der GT-Klasse.

Man muss sich vor Augen halten, was diese vielen Erfolge für ein kleines Team in den bayrischen Bergen bedeuten müssen. Freilassing ist nicht gerade das Epizentrum des internationalen Motorsports und mit nur 20 Mitarbeitern, international, in verschiedenen Ländern, teilweise gleichzeitig auf verschiedenen Kontinenten und unterschiedlichen Rennserien an den Start zu gehen, bedarf mehr als nur guter Vorbereitung. Herbert Schnitzer jun. erwähnt im Gespräch mit dem Strada Magazin den treffenden Vergleich mit einer U-Boot Mannschaft, die auf engstem Raum und unter schwierigsten Bedingungen Höchstleistungen bringen muss. Auch und speziell dann, wenn Erfolg bedeutet, dass man auf grundlegende persönliche Bedürfnisse verzichtet. Wobei jeder Erfolg, jeder Rennsieg bei der Mannschaft einen neuen Impuls auslöste, einen noch stärkeren Siegeswillen, ein noch größeres Weiterstreben nach Perfektion und den Hunger an weiteren Rennsiegen.

 

Ab 2005 nahm man viermal an der Tourenwagen-Weltmeisterschaft teil, wobei Jörg Müller 2006 mit dem BMW 320Si Vizeweltmeister wurde. Ab 2012 ist Schnitzer Motorsport wieder als BMW Werksteam in der DTM vertreten. Siege der Fahrer Bruno Spengler und Dirk Werner sowie der Gewinn der Fahrer- und Teamwertung bewiesen die Vormachtstellung der Truppe aus Freilassing. Nach dem Verlassen der DTM im Jahr 2016 trat man ab 2017 mit BMW im GT-Sport an. Ein fulminanter Sieg von Augusto Farfus beim Rennen in Macau beim FIA GT-Weltcup 2018 bedeutete leider auch das Ende einer Ära. Es war der letzte Sieg unter Charly Lamm als Teamchef, der nur wenige Wochen später verstarb.

 

Im Dezember 2020 dann der Schock, BMW gab das Ende der Zusammenarbeit mit Schnitzer Motorsport bekannt. Abgezeichnet hat sich die Trennung bereits 2016, als BMW Schnitzer-Motorsport aus der DTM abzog.

Man kann diesem Traditionsteam nur wünschen, dass man es irgendwie schaffen wird, in einer der vielen Kategorien, möglicherweise oder vielmehr hoffentlich unterstützt von einem anderen Hersteller, Fuß zu fassen. Zu schade wäre es, wenn wir diese Mannschaft nicht mehr an den Boxen der Rennstrecken sehen würden.

 

 

Stefan Schmidt