Die 1000 Kilometer von Buenos Aires 1971


Jean-Pierre Beltoise im MATRA
Jean-Pierre Beltoise im MATRA

Das 1000 KM Rennen von Buenos Aires 1971 ist auf Grund der Verkettung seltsamer und unglücklicher Umstände in die Geschichte des Automobilsports eingegangen. Wegen der Vorkommnisse in diesem Rennen wurden einige grundsätzliche Regeln im Langstreckensport und der Formel 1 in das Reglement aufgenommen, die bis heute unverändert Bestand haben.

Das Jahr 1971 war noch jung.. Es war gerade erst mal der 10. Jänner als man sich in Argentinien traf, um den ersten Lauf zur Langstreckenwelmeisterschaft für Prototypen zu fahren. Namhafte Teams wie Ferrari, Lola, McLaren, Porsche, Alfa-Romeo und MATRA waren ebenso anzutreffen wie berühmte Fahrer namens Fittipaldi, Stommelen, Peterson, Merzario, Beltoise und Giunti. Für die beiden zuletzt genannten, Beltoise und Giunti, sollte dieses Rennen in einem Desaster enden. Die Vorgeschichte:

Jean-Pierre Beltoise, Jahrgang 1937 aus Paris, Sohn eines Metzgers. Beltoise hatte seit 1955 auf Marken wie Morini, Bultaco und Aermacchi die Französische Motorradszene beherrscht und viele nationale Titel gewonnen. In den 50er Jahren wurde er zum Militär eingezogen und kämpfte im Algerienkrieg für Frankreich. Ab 1963 fuhr er parallel zu Motorradrennen auch noch Autorennen für Rene Bonnet. 1964 nahm er mit einem MATRA am 12- Stundenrennen in Reims teil. Kurz nach der Morgendämmerung hatte Beltoise einen schweren Unfall, bei dem sein Auto Feuer fing. Beltoise wurde schwerverletzt in letzter Sekunde unter dem Auto herausgezogen. Im Krankenhaus wurden zahlreiche Brüche festgestellt und als ein Arzt zu Jean-Pierre sagte, dass er nun keine Rennen mehr fahren könne, weil sein linker Arm von nun an steif bleiben würde, bat Beltoise die Ärzte den steifen Arm in einem gewissen Winkel zu belassen, damit er zumindest wieder Autorennen fahren könnte. 1965 fuhr er schon wieder für MATRA in der Formel 2, wohlgemerkt, mit steifem linken Arm. Später stieg er gemeinsam mit MATRA in die Formel 1 ein und als Teamkollege Jackie Stewart den MATRA mit V8 Ford DFV Motor für das Tyrrell Team fuhr, war Jean Pierre Beltoise stolz, den V12 MATRA Motor fahren zu dürfen. Zu jener Zeit, als Beltoise’s Stern in der Formel 1 aufging, kümmerte er sich intensiv um den Nachwuchs. Spätere Formel 1 Fahrer wie Jarier, Depailler und Cevert verdankten Beltoise ihren Einstieg in die Formel 3, Formel 2 und auch Formel 1. Als Beltoise die Schwester von Cevert heiratete, war es natürlich klar, dass man seinem Schwager hilft. Vielleicht mag es an den diversen Hilfeleistungen seitens Belto gelegen haben, dass er schon bald spaßeshalber den Namen >Pate des Motorsports< inne hatte.

Im Jänner 1971, machte sich also Beltoise gemeinsam mit der MATRA Truppe auf den Weg in Richtung Argentinien. Auch im fernen Rom machte sich ein kleiner Italiener auf dem Weg über den Ozean um dort einen Ferrari Sportwagen gemeinsam mit Arturo Merzario zu fahren. Ignazio Giunti, Jahrgang 1941, war die neue Hoffnung von Enzo Ferrari, der dem jungen Italiener allerhand zutraute. Bereits 1971 war Giunti für Ferrari in der Formel 1 gefahren. Nun sollte er den Ferrari Tipo 321PB beim 1000Km Rennen in Buenos Aires fahren. Im Qualifying schienen die Porsches von Rodriguez/Oliver, Elford/Larrousse und Siffert/Bell unschlagbar zu sein. Giunti fuhr in letzter Sekunde seinen Ferrari auf den 2 Startplatz. Der MATRA mit der Nummer 26, pilotiert von Beltoise/Jabouille, stand auf dem 5. Startplatz. Das Rennen begann und Giunti war auf und davon. Dahinter lauerten 3 Porsches und ein MATRA. In der 35. Runde verlor Giunti die Führung an einen der Porsche 917. Zu diesem Zeitpunkt ging dem noch immer an fünfter Stelle liegendem MATRA von Beltoise kurz vor den Boxen das Benzin aus. Da es nur noch einige hundert Meter waren, entschloß sich Beltoise seinen MATRA zu den Boxen zu schieben, um nachtanken zu lassen, und an den zweiten Fahrer Jabouille zu übergeben. Dieses „an die Box schieben“ war zu jener Zeit ein absolut üblicher Brauch, wenn einem Fahrer der Sprit kurz vor den Boxen ausging. Giunti fuhr im Windschatten des Porsche 917 zweimal an der Stelle vorbei, wo der durch seinen linken Arm behinderte Beltoise gerade seinen MATRA zu den Boxen schob. Die Flaggenposten hatten gewarnt und die Zuschauer auf den Tribünen feuerten Beltoise an, der sich auf Grund seiner Behinderung nur mit einem Arm gegen den schweren MATRA lehnen konnte. Das Problem von Beltoise war, dass er nun auf Höhe der Boxen war, jedoch noch die Straße überqueren mußte, um seine Box zu erreichen. Der Franzose wartete eine geeignete Lücke ab um sich mit aller Kraft gegen den MATRA 660 zu stemmen um die Rennstrecke zu queren, als das Führungsduo heranbrauste. Giunti dachte wohl in jenem Moment nicht mehr daran, dass einer seiner Konkurrenten, an dem er ja schon zweimal vorbeigefahren war, gegenüber den Boxen stand. So machte er den folgenschweren Fehler, dem vor ihm fahrenden Porsche 917 vor den Boxen trotz weißer und gelber Flaggen aus dem Windschatten heraus zu überholen und krachte geradewegs in den am Streckenrand stehenden MATRA von Beltoise. Giunti starb Minuten später an seinen schweren Verbrennungen, Beltoise selbst, den der Ferrari nur knapp verfehlt hatte stürzte nicht einmal zu Boden. Er lief an die Boxen, wo er Minuten später zusammenbrach. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände, die zu diesem Unglück geführt hatten. Seit jenem Rennen in Buenos Aires verbietet der Automobilweltverband ausdrücklich das Anschieben von Fahrzeugen, außer wenn diese in einer Gefahrenzone stehen.

Nach dem Rennen in Buenos Aires wurde Beltoise vor ein internationales Gericht gestellt und ihm für 6 Monate die Superlizenz entzogen, die er brauchte, um Formel 1 und Langstreckenrennen zu fahren. 1972 wechselte er zum englischen BRM Team, für das er in Monaco den letzten Sieg für BRM und den allerersten Sieg für sich und Marlboro in der Formel 1 holte. Für MATRA wurde er noch einmal Langstreckenweltmeister. 1975 bereitete er das Ligier Formel 1 Projekt vor. Anfangs war er noch als Fahrer vorgesehen, später wurde er von Jacques Laffite ersetzt. Sein steifer linker Arm war für die schnellen Autos ein zu großes Hindernis geworden. Von da an fuhr er bis 1985 diverse Autocross und Tourenwagenrennen. Heute leitet er 67-jährig, sein eigenes Fahrsicherheitszentrum in der Nähe von Paris. Hie und da träumt er noch von seinen Rennen, auch von den 1000 Km von Buenos Aires 1971.

 

Stefan Schmidt