Patrick Depailler


Patrick Depailler 1969
Patrick Depailler 1969

Auf einem entlegenen Bauernhof, im Sommer 1980 in Burgund. Zwei kleine Männer treffen sich und machen sich auf den Weg nach Clermont Ferrand, um einen der ihren, den Rennfahrer Patrick Depailler, zu Grabe zu tragen. Es sind der Franzose Rene Arnoux und der Kanadier Gilles Villeneuve, die, wenn sie auch nachdenklich wirken, es sich nicht nehmen lassen, die 350 km nach Clermont Ferrand in ihrem Renault 5 im Renntempo zurück zu legen. Als die beiden in der Hauptstadt der Auvergne ankommen, stehen bereits Tausende Schlange, um dem Sohn ihrer Stadt die letzte Ehre zu erweisen. Außer unseren Helden Arnoux und Villeneuve sind natürlich alle anderen französischen Rennfahrer, aber auch Kollegen wie Stewart, Fittipaldi und Scheckter gekommen. Unter den prominenten Gästen waren auch Nick Mason von Pink Floyd, Ing. Carlo Chiti von Alfa-Romeo, und die gebrochenen Eltern von Patrick Depailler. Daneben, mit entsprechendem Abstand zueinander stehen Depaillers Ex-Frau und seine Freundin.

Viele Trauergäste wundern sich, dass die halbe Stadt rund um die Kathedrale von Clermont versammelt ist, und bei Michelin, dem ortsansässigen Reifenhersteller die Arbeit niedergelegt wurde, um den Arbeitern die Möglichkeit zu geben, dabei zu sein. Wer war also Patrick André Eugène Joseph Depailler, der zwar nur zwei Formel 1 Rennen gewonnen hatte, aber lange Zeit als der populärste französische Rennfahrer galt.

Zurück zum Anfang der Geschichte des Patrick Depailler: Kurz nach der Invasion der Alliierten Truppen in der Normandie kam im August 1944 in der zentralfranzösischen Industriestadt Clermont Ferrand Patrick Depailler zur Welt. Sein Vater war ein stadtbekannter Architekt, dessen Bauwerke später meist anders genutzt wurden, als geplant. So kam es, dass eine seiner Schulen später zu einem Gefängnis umgebaut wurde, weil sie als Schule in ihrer ursprünglichen Form unbrauchbar schien. Sein Sohn Patrick entdeckte zu Beginn der 50er Jahre, dass ihn Kraftfahrzeuge, im speziellen Motorräder, magisch anzogen. Als er einmal eine Ausgabe der Motorrad Zeitschrift "Moto Revue" geschenkt bekam, las er sie wieder und wieder, bis er sie schließlich auswendig kannte. Jahrzehnte später, als er bereits Formel 1 Fahrer war, konnte er einige Journalisten noch immer damit verblüffen, dass er sogar die Texte der Werbeeinschaltungen aus jenem Heft noch im Kopf hatte. Für den kleinen Patrick war alles schön und gut, wenn es nur einen Motor hatte und laut war. Kurze Zeit später entdeckten Ärzte, dass er einen Augenfehler hatte und manche Farben nicht richtig erkennen konnte. Ein schwerer Schock für den Teenager, der wie sein großes Idol Jean Behra Motorradrennfahrer werden wollte. Als er 18 Jahre alt war, verschaffte er sich ein Norton Motorrad, nur um damit schnurstracks nach Paris zu fahren, um an einem Motorradrennen teilzunehmen. Zuvor hatte er das Motorrad auf der Rennstrecke von Clermont-Ferrand, die er bereits als Kind fast täglich mit dem Fahrrad abgefahren war, ausgiebig getestet. Er war also in Paris-Monthlery und es goß in Strömen. Patrick wußte nicht, dass er und seine Kollegen von Jean-Pierre Beltoise, der damals sämtliche Ligen des französischen Motorradsports dominierte, beobachtet wurde. Während eines Regenrennens, in dem sich deutlich die Spreu vom Weizen trennte, wußte selbst Beltoise nicht mehr ob der kleine Depailler auf seiner 50ccm Norton nun einen riesigen Vorsprung hatte oder dem Feld mit großem Abstand hinterher fuhr. Depailler gewann dieses Rennen 1962 und wurde fortan von Beltoise unterstützt. Um sich nicht ganz auf seiner Fähigkeiten als Motorrad- Rennfahrer verlassen zu müssen, begann er parallel zu seinem Hobby, eine Ausbildung zum Zahntechniker, die er einige Jahre später auch abschließen sollte. Es wäre wohl aus Geldmangel nichts weiter mit der Karriere des Patrick Depailler geworden, hätte sein Gönner Beltoise, der inzwischen sehr erfolgreich Autorennen fuhr, nicht in Reims während des 12 Stunden Rennens einen bösen Unfall gehabt, nach dem sein linker Arm steif blieb. Noch im Krankenhaus überredete Beltoise die Bultaco Leute, Depailler mit seiner Werksmaschine fahren zu lassen. Dies blieb nicht ohne Folgen. Depailler wurde französischer Motorradmeister 1963 (50ccm) und 1964 (250ccm), jeweils auf Bultaco. Später verschaffte Beltoise Depailler die Möglichkeit, an einem Autorennen teilzunehmen, was Depailler zunächst nicht sonderlich begeisterte, da sein Herz den Motorrädern gehörte. Dieses mit Lotus 7 auf Patrick's Heimstrecke ausgetragene Rennen konnte Depailler ebenfalls für sich entscheiden. Es muß so um 1966 gewesen sein, als Depailler einen Formel 1 Rennfahrerfilm im Kino sah und sich kurzerhand entschloß, nur noch Autorennen zu fahren. Anfangs fuhr er nur kleine lokale Rennen für MATRA und Alpine, später ab 1968 auch gelegentlich Rallyes, bei denen er zum ersten Mal auf Jean Todt traf. Todt war zunächst selbst Rallye Fahrer bei Alpine, wurde dann bei Depailler Co-Pilot und als er entdeckte, dass Depailler so gar nichts für finanzielle Angelegenheiten übrig hatte, wurde Todt sein Manager. Diese Verbindung sollte bis Ende 1973 halten, als Jean Todt einige Rallye Werksteams betreute und somit keine Zeit mehr hatte.

Nun kamen harte Jahre auf Depailler zu, nachdem er beim Formel 3 Nachwuchswettbewerb “Volant Shell” in Magny Cours nur knapp gegen Francois Cevert verloren hatte, fuhr er für die Alpine Werksmannschaft Formel 3 und für MATRA Langstreckenrennen. Ab 1970 nahm Depailler auch Formel 2 Rennen parallel zu den Formel 3 Rennen für Alpine teil. 1972 schaffte er endgültig den Durchbruch, als er, wiederum im Regen, das Formel 3 Rennen in Monaco gewann. Dieser Sieg war damals eine Art Fahrkarte in die Formel 1. Dazu kam, dass zu jener Zeit der amtierende Formel 1 Weltmeister Jackie Stewart mit Magengeschwüren zu kämpfen hatte, die ihn zu einer sechswöchigen Pause zwangen. Diese Ruhepause lies Stewarts Hoffnungen auf einen erneuten Gewinn der Fahrer-Weltmeisterschaft 1972 fast auf Null sinken. Um wenigstens die Marken-Weltmeisterschaft zu sichern, holte sich Ken Tyrrell den jungen Franzosen Patrick Depailler ins Team, der in Clermont-Ferrand Stewart ersetzen, und dem Team zu Punkten verhelfen sollte. Man kann sich vorstellen, dass es angenehmere Strecken gibt, um seinen ersten Formel 1 Grand Prix zu bestreiten. Depailler jedenfalls nutze seine Chance und fuhr an der Seite von den Stammfahrern Cevert und Stewart, der sich kurzfristig entschlossen hatte, doch am Rennen teilzunehmen, den dritten Tyrrell Ford. Es war kein leichtes Rennen für Depailler, der sich mit Reifenproblemen herumschlug und schlußendlich nur den 20. Platz belegte. Anders ging es ihm bei seinem zweiten und vorläufig letztem Rennen für Tyrrell in der Saison 1972. Beim Finallauf in Watkins Glen wurde Depailler Siebter; nachdem er die Ferraris von Andretti und Ickx nach großartiger Fahrt niedergezwungen hatte. Parallel zu seinen Formel 1 Rennen fuhr Depailler nun auch permanent in der Formel 2 für das englische March Team, für das er 1973 einige beachtliche Erfolge einfahren konnte und 1974 sogar Formel 2 Europameister wurde. Während der Saison 1973 wandte sich Stewart an Ken Tyrrell, um ihm mitzuteilen, dass er gegen Ende der Saison aufhören würde, sodass Tyrrell gezwungen war, für die Saison 1974 einen neuen Fahrer zu suchen. So ganz sicher war er sich nicht, ob Depailler die richtige Wahl wäre, denn sonst hätte er nicht darauf bestanden, dass Patrick die beiden letzten Rennen der Saison 1973 den dritten Tyrrell fahren sollte. Depailler, der selbstverständlich seine Chance nutzen wollte, war nicht gerade der Typ, der zu Hause auf der Couch saß und darauf wartete bis er seine Reise nach Amerika antreten konnte. Für Patrick Depailler spielten schwere, übermotorisierte Motorräder noch immer eine große Rolle und so kam es, dass der Kandidat für die Stewart Nachfolge eine Woche vor seiner dritten Formel 1 Chance beschloß, seine sechs Zylinder Benelli Maschine auszufahren. In jenen September Tagen stand nicht nur der bevorstehende Tyrrell Einsatz Depaillers, ins Haus, sondern auch die baldige Geburt seines Sohnes Loic. Seine Frau hatte gerade den Kreissaal verlassen, als man ihr sagte, dass Patrick gerade eingetroffen sei. Michelle Depailler meinte nur, dass er sie jetzt besuchen könne. Da lächelte die Krankenschwester ein wenig unsicher und erwiderte, dass er nicht freiwillig das Krankenhaus aufgesucht hätte, sondern sich beim Herumtoben mit seinem Motorrad einen komplizierten Beinbruch zugezogen hat und sie ihn zwei Etagen tiefer besuchen könnte...

Man kann sich vorstellen, dass Tyrrell stocksauer war und Patrick Depailler eine Absage erteilte. Es wäre wohl das Ende seiner Karriere geworden, hätte nicht Fortuna sein Schicksal erneut in die Hand genommen. So kam es, dass Tyrrell entschied, dass 1974 der Südafrikaner Jody Scheckter den zweiten Tyrrell fahren sollte. Dieser hatte, in Mosport noch für McLaren fahrend, seinen künftigen Team Kollegen Francois Cevert in die Leitplanken geschubst, der dabei leichte Beinverletzungen davontrug. Als dann beim letzten Grand Prix der Saison während des finalen Trainings Scheckter auf Cevert auflief, knallten bei dem sonst sehr besonnenen Franzosen die Sicherungen durch. Er fuhr wie der Teufel und wollte scheinbar Scheckter zeigen, was er von ihm 1974 zu erwarten hatte. Als beide durch “the 90ies” fuhren und in Richtung Esses rasten, crashte Cevert in die Leitplanken und war auf der Stelle tot. Nachdem alle Beteiligten den Schock überwunden hatten, drängte der Sponsor von Tyrrell darauf, nun doch Depailler fahren zu lassen. Patrick war bis Dezember‘ 73 noch im Streckverband gelegen und bemühte sich tunlichst, wieder auf die Beine zu kommen, da das erste Rennen der neuen Saison bereits im Jänner in Argentinien gefahren werden sollte. Depailler und Scheckter waren die neuen Piloten im Tyrrell Rennstall und das nächste Problem stand bereits vor der Tür. Auch wenn Stewart und Cevert 1973 von einem Sieg zum nächsten gefahren waren, konnten die beiden neuen Fahrer Scheckter und Depailler nichts mit dem alten kurzen Tyrrell 006 anfangen. Der Konstrukteur baute einen neuen Wagen, der den beiden besser lag. Trotzdem konnten sie nicht an die Leistungen von Stewart und Cevert anknüpfen. Depailler schaffte es allerdings in Anderstorp, sein Team in mehrfacher Hinsicht zu verblüffen. Ken Tyrrell, der kurz vor Beginn des Qualifyings in den Team Tyrrell Wohnwagen kletterte, traute seinen Augen nicht, als sein Fahrer mit Freunden zu Tisch saß und ein Glas Rotwein in der Hand hielt. Für Uncle Ken, wie ihn Depailler liebevoll nannte, war Alkohol, auch nur in kleinen Mengen, ein absolutes Tabu für jeden seiner Formel 1 Fahrer. Also brüllte er auf Depailler ein, was ihm einfalle und wie er nun gedenke eine saubere Runde hinzulegen. Depailler, der stets unbekümmerte Franzose, erwiderte nur, dass alles schon irgendwie gut gehen würde. Diese Argumentation mußte Ken Tyrrell noch öfter von ihm hören und jedesmal kochte er vor Wut! Es war kurz vor Trainingsende. Patrick, der Kettenraucher war, zog noch schnell an seiner filterlosen Gaulloise durch ein eigens dafür vorgesehenes Loch in seinem Sturzhelm, das während der Fahrt durch eine Verschlußkappe versiegelt wurde, und meinte, dass sich nun der Alkohol im Blut soweit abgebaut haben müsse, dass er bedenkenlos fahren könne. 10 Minuten später hatte er Pole Position, die erste und einzige in seiner Formel 1 Laufbahn. Dem gesamten Tyrrell Team blieb vor Staunen der Mund offen, als Depailler an die Boxen kam. Scheckter, der nun nur noch auf Platz zwei stand, war mehr als sauer. Jahre später sollte Depailler Tyrrell erzählen, dass er seither nie mehr wieder etwas Alkoholisches getrunken hätte, bevor er in ein F1 Auto gestiegen sei, denn seine Pole Runde in Anderstorp war für ihn selbst dermaßen furchterregend, dass er so etwas nie wieder erleben wollte. Für 1975 erweiterte Ken Tyrrell vorsichtshalber den Vertrag seines Fahrers um zwei Klauseln. Striktes Motorrad-Fahrverbot und Alkoholverbot an Grand Prix Wochenenden. Vielleicht hätte er auch noch die Klausel mit aufnehmen sollen, dass Depailler künftig fit genug sein sollte, um eine GP-Distanz durchzuhalten. Dann wäre es wahrscheinlich nicht zu jener Peinlichkeit gekommen wie sie 1974 beim Österreichischen Grand Prix in Zeltweg passierte. Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass Patrick Depailler stets Pech auf österreichischen Strecken hatte. Beim Eröffnungsrennen am Salzburgring 1970 crashte er in der gefürchteten Fahrerlagerkurve mit seinem Formel 2 Auto so stark, dass sein Wagen Feuer fing und er mit schweren Verbrennungen in das Salzburger Landeskrankenhaus eingeliefert wurde. 1974 verlor er ebenfalls am Salzburgring den Heckflügel seines Formel 2, woraufhin er erneut in der Fahrerlagerkurve schwer stürzte. Aber zurück nach Zeltweg und dem heißesten GP des Jahres 1974. Das Team merkte schnell, dass Depailler stetig langsamer wurde. Alle von Tyrrell gezeigten Signale wie "GO!" halfen nichts. Ken glaubte schon an einen technischen Defekt, als es in der Texaco Schikane zwischen Jacky Ickx und Patrick Depailler zu einer Kollision kam, weil Depailler halb ohnmächtig seinen Wagen nicht mehr auf der Straße halten konnte. Er kam also zurück zur Box und meinte nur noch, dass er KO sei und nicht mehr fahren könne. Ken Tyrrell flehte ihn an, weiterzufahren jedoch ohne Erfolg. Als sich Patrick nach dem Rennen wieder halbwegs erholt hatte, machte ihm Ken Tyrrell klar, dass er, falls es noch einmal so eine Aktion geben sollte, seinen Platz im Tyrrell Team verlieren würde. Die Wogen glätteten sich und man packte seine Sachen, um die brütend-heiße Steiermark so schnell als möglich zu verlassen. Der Tyrrell Transporter war schon abfahrbereit, als Ken seinen unglücklichen Fahrer hinter den Boxen antraf. Er fragte Depailler also: "Patrick, was machst Du denn noch da" Depailler: "Weiß nicht, bin mir nicht sicher" Tyrrell: "Was meinst Du damit, Du bist Dir nicht sicher?" Patrick: " Schau, ich habe einen Flug von Lyon nach Graz gebucht, jetzt muß ich mich darum kümmern, dass ich nach Wien komme, um nach Paris zu fliegen und danach muß ich jemanden finden, der mich nach Clermont nach Hause fährt. Dann sollte ich noch meinen Daytona in Lyon vom Flughafen abholen.." Tyrrell: "Soll das heißen, dass Du nur einen Einwegflug von Lyon nach Graz gebucht hast"? Depailler: "Das könnte so gewesen sein" Tyrrell kochend vor Wut: "Patrick, hast Du vorgehabt, Dich hier in Österreich anzusiedeln oder tödlich zu verunglücken?” Depailler: "Weiß nicht, bin mir nicht sicher..." Wie man sich vorstellen kann, wurde an jenem Tag die Stimmung im Team nicht besser. Um so weniger, da der neue Tyrrell 007 nicht die erhofften Erwartungen erfüllte. Es mußte also was bahnbrechend Neues her. Der Konstrukteur von Tyrrell, Derek Gardner, hatte die brillante Idee des Tyrrell P34 mit 6 Rädern. Patrick, der in den Augen von Tyrrell der bessere Techniker war, fuhr alle Tests und durfte schließlich auch alleine entscheiden, ob der Sechsrad-Tyrrell gleich ins Museum käme oder doch auf den Rennstrecken dieser Welt zum Einsatz kommen würde. Depailler entschied sich dafür, mußte jedoch noch über ein halbes Jahr auf die Feuertaufe warten, da einige Komponenten noch nicht ausgereift waren. Als man im Sommer 1975 zum Nürburgring kam, fuhr man den alten konventionellen Tyrrell 007. Dieser lief vor allem durch Depaillers enormen Einsatz gar nicht so schlecht, und als Niki Lauda seinen Ferrari auf eine Zeit von unter sieben Minuten knüppelte, waren Depaillers Zeiten nur unwesentlich schlechter. Im Rennen folgte er Lauda wie ein Schatten. Nach nur drei Runden fuhren beide quasi ohne Abstand über die Ziellinie... danach.... 14 Sekunden lang .... nichts...! Lauda meinte nach dem Rennen, dass er sich nicht sicher war, ob er den Franzosen über die ganze Distanz auf Abstand halten hätte können. Leider brach Depailler die Vorderradaufhängung und Lauda platzte ein Vorderreifen, so dass keiner von beiden gewann. An jenem Tag konnte Patrick Depailler auch den letzten Zweifler davon überzeugen, was er wirklich konnte. Sogar Bernie Ecclestone, dessen Fahrer Carlos Reutemann dieses Rennen gewann meinte damals, dass Depailler unschlagbar gewesen wäre. Gegen Ende der Saison schaffte es Depailler erneut, Tyrrell zu verärgern, als er am Renntag des Grand Prix der USA in Watkins Glen in eine Verkehrskontrolle geriet und auf Grund überhöhtem Tempos kurzerhand festgenommen wurde. Nachdem Tyrrell eine entsprechende Kaution hinterlegt hatte, konnte er seinen Fahrer gerade noch rechtzeitig vor dem Rennen loseisen. Später sagte Tyrrell einmal: “Bei Patrick wußte man nie, was als nächstes kam, er war wie ein kleiner Junge, der alles ausprobieren und übertreiben mußte. Man konnte ihm aber auch nie so richtig böse sein”. 1976 war dann das Jahr des 6-Radlers, der erstmals in Jarama in einem Rennen fuhr. Einige Rennen zu Beginn der Saison 1976 fuhr man noch mit dem alten Tyrrell 007. So auch das Rennen in Long Beach in dem sich Depailler und Hunt in der Anfangsphase des Rennens einen verbissenen Kampf lieferten, der damit endete, dass Depailler beim Anbremsen einer Haarnadelkurve Hunt leicht touchierte und dieser geradewegs in einer durch Reifenstapel geschützten Mauer landete. Hunt stand bis zum Ende des Rennens an derselben Stelle und sprang bei jeder Durchfahrt von Depailler auf die Straße um ihm die Faust oder anderes zu zeigen.

Zurück zur Weltpremiere des Tyrrell P34 in Jarama. Depailler fuhr lange Zeit auf Platz drei, ehe ihn seine Bremsen im Stich ließen. Es folgten weitere gute Rennen mit dem neuen Tyrrell. In Anderstorp gewann Scheckter vor Depailler, der verteilt über die Saison noch weitere zweite Plätze herausfahren konnte. Eine bemerkenswerte Leistung konnte er in Mosport, beim Kanadischen Grand Prix abgeben. Depailler fuhr mit seinen Tyrrell von der ersten bis zur letzten Runde hinter dem McLaren des späteren Weltmeisters James Hunt. Er hetzte ihn über die volle Renndistanz. Gegen Rennmitte bemerkte Depailler, dass eine durch das Cockpit führende Benzinleitung undicht wurde und ihm bei jeder Vollgaspassage einen Spray voll Benzin entgegenblies. Nach einigen Runden spürte er starke Schmerzen im Gesicht, da der feuerfeste Kopfüberzug, die Ballaclava, bereits benzingetränkt war. Depailler nach dem Rennen: "Mein Gesicht brannte wie Feuer, mir wurde schwindlig von den Dämpfen, die ich eingeatmet habe, dazu kam noch die Angst, dass mir der Sprit ausgehen könnte. Ich fuhr also hinter Hunt her, wußte aber nicht wieviel Runden noch zu fahren waren" Als das Rennen zu Ende war, bemerkte es Depailler gar nicht. Er überholte Hunt und fuhr noch eine Runde ehe er während der Fahrt kollabierte, und seinen Tyrrell in die Leitplanken setzte. In Fuji gelang es Patrick erneut in einem Regenrennen seinen Teamchef zu verblüffen, als er innerhalb von vier Runden 12 seiner Gegner bei einer Sicht, die man als solche nicht bezeichnen konnte, überholte. Lauda gab freiwillig auf, Depailler wurde wieder einmal zweiter hinter Andretti und James Hunt konnte sich mit Platz drei den Weltmeistertitel sichern. 1977 wurde ein enttäuschendes Jahr für Tyrrell. Nachdem Scheckter, der den Tyrrell P34 nicht leiden konnte, es nicht ertragen hatte, dass Patrick Depailler von nun an Tyrrells Nummer 1 war, wechselte er zum Team von Walter Wolf und wurde bei Tyrrell von dem Schweden Ronnie Peterson ersetzt. Peterson war einer der besten Fahrer jener Tage, der jedoch schon bald feststellen mußte, dass er Probleme mit dem Handling des neuen 6-Rad Tyrrell P34/2 hatte. Good Year wurde vom eben eingestiegenen Reifenhersteller Michelin in einen Reifenkrieg verwickelt und hatte deshalb keine Recourcen mehr die kleinen Reifen für die Tyrrells weiterhin zu entwickeln. Peterson und Depailler schleppten sich über die Saison. Der eine oder andere Podiumsplatz war zwar noch zu holen, mehr aber nicht. Peterson verließ das Tyrrell Team Ende 1977, um zu Lotus zurück zu kehren. Depailler blieb auch noch 1978 und bekam mit Didier Pironi einen neuen Teamkollegen. Es war wohl zu jener Zeit, als sich eine Wende in Depaillers Privatleben abzeichnete. Seine Frau Michele, die stets sehr nervös war, drängte ihren Ehemann mit dem Motorsport Schluß zu machen. Man sollte erwähnen, dass Depailler nicht nur Formel 1 Rennen fuhr, sondern auch Langstreckenrennen für MATRA und Renault sowie Can Am Rennen für Paul Newman und wenn er noch Zeit hatte, dann fuhr er zum Spaß die Formel 2 Meisterschaft für ein Team, das sich gerade angeboten hatte. Kurzum, Depailler war Racer durch und durch, und deshalb von Jänner bis Oktober auf Achse. Seine Frau, die ihn meistens begleitete, hatte bei jedem Rennen zurecht Angst. Michele Depailler hatte viele Kollegen ihres Mannes sterben sehen, vor allem wußte sie auch, dass ihr Mann bei jedem Rennen mehr als 100% gab. Depaillers Idee, dass sie mit einem Formel 3 Auto in Magny Cours um die Strecke fahren sollte, um zu begreifen wie toll das Rennfahren sein kann, verschlimmerte die Situation nur noch. Als Depailler von seiner Michele vor die Wahl gestellt wurde, Formel 1 oder Frau, entschied er sich für die Formel 1. Manche munkelten damals auch, dass Michele Depailler die ewigen Affären ihres Mannes satt hatte.

1978 fuhren Depailler und Pironi für Tyrrell, eine Saison, die von den neuen Lotus Wunderwagen beherrscht wurde. Es gab nur wenige Möglichkeiten für andere zu gewinnen. Depailler nutzt eine dieser Möglichkeiten um in Monaco seinen ersten Grand Prix zu gewinnen nachdem er Lauda und Watson niedergerungen hatte. Es war sein erster Sieg in der Formel 1 und das gleich auf der schwierigen Rennstrecke. Mehr noch freute es ihn, dass er auch in der Fahrerweltmeisterschaft führte. Die Siegesfeier war turbulent. Zusammen mit Nick Mason von Pink Floyd und vielen anderen, machte Depailler mehr als zwei Tage und Nächte durch. Zwei Wochen später führte er beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans auf Renault mit bombensicheren Vorsprung ehe sein Renault am frühen Nachmittag mit Kolbenschaden stehen blieb. Depailler war total frustriert, denn er hätte als erster Fahrer innerhalb weniger Wochen den F1 GP in Monaco und das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewinnen können. Das Rennen gewann sein Tyrrell Teamkollege Didier Pironi mit seinem Beifahrer Jean-Pierre Jassaud. 1978 war trotz des Sieges in Monaco eher ein schwieriges Jahr für Tyrrell und Depailler. So kam es, dass Depailler in Monza einem Tag vor dem Unglücksrennen, bei dem Peterson verunglückte, zu Ken ging, um ihm mitzuteilen, dass er die Saison 1979 für Ligier, einer Mannschaft aus Frankreich, die eben erst mal einen GP gewonnen hatte, fahren werde. Für Tyrrell war es eine bittere Enttäuschung, für Depailler eine echte Chance. Man muß dazu sagen, dass Guy Ligier nicht nur den Fahrer Depailler unter Vertrag hatte, sondern mit dem Fahrer Depailler auch Good Year Reifen der ”ersten Klasse” bekam, die nur den Top Teams zustanden, die Fahrer engagiert hatten, die in der WM des Vorjahres auf den ersten 5 Plätzen der Meisterschaft gelegen haben. Das Jahr 1979 begann damit, dass alle Teams den Wunder Lotus nachbauten. Gerard Ducarouge von Ligier übernahm das Konzept, verfeinerte es um einige Details sodass die Kombination Good Year, Ligier, Depailler und dessen Teamkollege Lafitte die ersten Rennen der Saison dominierte. Lafitte gewann in Argentinien und Brasilien, Depailler gewann in Spanien, und führte nach diesem Sieg erneut die Fahrerweltmeisterschaft an. Ganz Frankreich stand Kopf, als das französische Nationalteam von Erfolg zu Erfolg eilte. In Monaco konnte Depailler nach einem harten Fight gegen Reutemann und Watson trotz eines Motorplatzers in der letzten Runde nur noch den 5. Platz belegen. Sogar Lauda meinte damals: "Depailler wird heuer Weltmeister, wirst sehen.." Für viele Fahrer wäre die neuerliche Führung in der Fahrerweltmeisterschaft Grund genug gewesen, sich auszuruhen und dementsprechend auf das nächste Rennen vorzubereiten. Nicht so Depailler, der nun von keiner Klausel (die ihm gefährliche Freizeitaktivitäten verbot) mehr eingeschränkt war.. und sich kurzerhand nach dem Rennen in Monaco, auf seinen Hausberg in Clermont-Ferrand bringen ließ um seinen Drachenflieger auszuprobieren. Trotz der Warnung der anwesenden Drachenflieger-Kollegen stürzte sich Depailler bei heftigen Wind in die Tiefe. Patrick Depailler geriet nach 35 Minuten (in der Luft), zu nahe an eine Felswand, deren Aufwinde er unterschätzte, taumelte ein wenig und wurde dann mit voller Wucht gegen eine Felswand geschleudert. Nach der Bergung mußte er mittels Hubschrauber wegen komplizierter Brüche am ganzen Körper in das Krankenhaus von Clermont eingeliefert werden. Nicht nur, dass er nun die WM abschreiben konnte, nein der nächste Schock war als ihm die Ärzte mitteilten, dass man ihm wohl ein Bein abnehmen müsse. Depailler war am Boden zerstört, dachte über Selbstmord nach, sollte er eines seiner Beine wirklich verlieren. Alle seine Kollegen aus der Formel 1 waren sich damals einig, dass Depailler total verrückt gewesen sein muß, während der Saison Drachenfliegen zu gehen. Ligier reagierte prompt und kündigte Depailler umgehend, ohne zu bedenken, dass Good Year nun auf Grund der Kündigung von Patrick Depailler keine Reifen “erster Klasse” mehr liefern würde. Als Resümee rutschte Ligier nach dem Absturz Depaillers im Mittelfeld der Formel 1 ab. Lafitte, der noch Chancen hatte Weltmeister zu werden mußte sich Scheckter geschlagen geben, der mit Ferrari die Weltmeisterschaft für sich entscheiden konnte.

Depailler hingegen lag im Krankenhaus und kämpfte mit sich und den Ärzten. Als er in eine Spezialklinik nach Paris verlegt wurde, hatte er bereits 9 Operationen hinter sich. Da es allen Anschein nach keine Heilungschancen mehr gab und Depailler nie mehr wieder gehen, geschweige denn Rennen fahren könnte, schien es, als würde er zu seiner Ex-Frau zurückkehren, die sich ja nur wegen des Rennfahrens von ihm getrennt hatte. Patrick Depaillers Gesundheit verbesserte sich im Herbst 1979 drastisch. Einer der Ärzte prognostizierte, dass er in eineinhalb bis zwei Jahren wieder gehen könne, vom Rennfahren brauche er aber nicht einmal zu träumen. Als Depailler die Worte “wieder gehen können” hörte, dachte er nur wer gehen kann, kann auch sitzen und wer sitzen kann und Beine hat, kann auch Rennen fahren. Patrick Depailler verhandelte vom Krankenzimmer aus heimlich mit dem Chef des Alfa Romeo Teams für 1980. Alfa Romeo war zu dieser Zeit wieder neu in die F1 eingestiegen und dachte daran, Depailler wenn schon nicht als Rennfahrer, zumindest als Testfahrer brauchen zu können. Alfa nannte für die Saison neben dem Stammfahrer Bruno Giacomelli auch noch Depailler, der notfalls von Vittorio Brambilla abgelöst werden sollte. Mit Depailler an der Angel, bekam das Alfa-Formel-1 Team Marlboro als Sponsor, dem jedoch verschwiegen wurde, dass Depailler bei der Präsentation des Autos Weihnachten 1979 deshalb nicht dabei war, weil er in Paris noch immer im Streckverband lag. Inzwischen rückte der Termin für das erste Rennen in Argentinien immer näher, Depailler machte große Fortschritte und konnte sogar schon aufstehen. Als er seinen Ärzten erzählte, dass er in zwei Wochen in Argentinien ein Formel-1-Rennen fahren würde, lachten diese nur und meinten, dass es ein Wunder wäre, wenn er überhaupt in den Flieger einsteigen könnte. Depailler schaffte beides. Im Flugzeug saß er noch mit beiden Beinen in Gips, an der Rennstrecke angekommen, ließ er sich im Rollstuhl zum Auto fahren und hineinsetzen. Depailler qualifizierte sich als Letzter, mit 5 Sekunden Rückstand auf die Pole Position. Sein Teammate Giacomelli stand in der Startaufstellung knapp vor Patrick. Im Rennen kämpfte Patrick Depailler mit sich und dem Auto. Eigentlich war es mehr ein Trainigsrennen bei dem das Auto immer wieder während Boxenstopps neu eingestellt und umgebaut wurde. Depailler war dies egal, auch wenn er auf Grund eines Rückstandes von 5 Runden nicht in die Wertung kam, beendete er sein Comeback-Rennen. Dieser Teilerfolg blieb auch seinen Kollegen nicht verborgen. Lauda meinte damals, dass Depaillers Leistung, gemessen an den Verletzungen die er davongetragen hatte beachtlich sei. Beachtlich war auch, dass Depailler in den darauffolgenden Rennen in Interlagos und Kyalami immer besser mit dem Auto zurecht kam, und selbst auch enorme Fortschritte machte. So konnte er schon bald den Rollstuhl gegen Krücken tauschen, und später ab Long Beach sogar ohne Krücken im Fahrerlager herumspazieren. Hier prügelte er den schwerfälligen Alfa auf Platz drei in der Startaufstellung, im Rennen fuhr er 17 Runden lang auf Platz zwei, dicht hinter dem späteren Sieger Nelson Piquet. Auch wenn er auch dieses Rennen nicht beenden konnte, verblüffte er nicht nur seine Ärzte und Kollegen, sondern auch halb Frankreich, wo alle begeistert von Depaillers Comeback waren. Einmal kam Andretti zu ihm und erklärte ihm: Was Du geschafft hast, hätte ich nie im Leben zu Stande gebracht. Hast Du jetzt eigentlich mit dem Drachenfliegen aufgehört? Darauf Depailler: “Ja, im Moment schon, aber ich mache ja jetzt den Helicopter Flugschein...”. Patrick Depailler begeisterte vor allem sein Team. Der ehemalige Chefmechaniker von Niki Lauda, Ermano Cuhogi der nach Laudas Rücktritt zu Alfa gewechselt war, und jetzt Chefmechaniker bei Depailler war, lies sich eine Glatze scheren, und wagte die Prophezeiung, dass er sich so lange nicht die Haare wachsen lassen würde, bis Alfa Romeo 1980 einen Grand Prix gewinnen würde.

Depailler und Alfa hatten noch einen Vorteil. Als Depailler 1979 von Ligier gekündigt wurde, verließ der Aerodynamik-Spezialist Robert Choulet erbost das Team um sich Depailler und Alfa anzuschließen. Kurz vor dem Monegassischen Grand Prix überredete Depailler den Alfa Sportchef Ing. Chiti, dass er doch die Strecke von Nogaro in Südfrankreich mieten solle, um für Monaco zu testen. Depailler ließ Schikanen aufbauen und man testete drei volle Tage. Zunächst glaubte man nicht, dass diese Tests etwas bringen würden, doch Depailler fuhr in Monaco ein phantastisches Rennen auf Platz vier, wobei er stets den Führenden Pironi, sein Nachfolger im Ligier Team, vor Augen hatte. Auch dieser Ausfall konnte Depailler nicht sonderlich stören. Er war wieder dort, wo er vor seinem Freizeitunfall gewesen war und er konnte an der Spitze mitfahren!! Die nächsten Rennen wurde der Alfa Romeo 179 ständig modifiziert und immer schneller. Obwohl die Resultate ausblieben, entfachten die Fahrer Depailler und Giacomelli eine Euphorie die das ganze Team erfaßte. Depailler machte auch gesundheitlich große Fortschritte und als er im Juli 1980 nach dem Englischen Grand Prix nach London zur Versicherungsgesellschaft Lloyds fuhr, war es höchste Zeit, das zu tun, was er die ganzen letzte Jahre über versäumt hatte. Nämlich eine Versicherung abzuschließen. Bis dahin hatte er weder eine Unfall- noch Lebensversicherung. Sodass er die enormen Kosten des Krankenhausaufenthaltes nach seinem Drachenfliegerunglück selbst tragen mußte. Anschließend fuhr er mit seiner neuen Freundin auf die Virgin Islands um ein paar Tage Urlaub zu machen. Als er am Nachmittag des 31. Juli 1980 zurück kam, fragte er die damalige Freundin von Didier Pironi, Agnes ob sie ihn nicht freundlicherweise nach Hockenheim fahren könne, wo er den Alfa testen wollte. Agnes sagte sofort zu, und chauffierte Depailler, der inzwischen ein Schläfchen machte zum Hockenheimring, wo sie gegen Mitternacht ankamen. Depailler und Agnes fuhren am nächsten Tag zur Strecke, um sich frühmorgens mit den Alfa Leuten zu treffen. Giacomelli, der auch vor Ort war, erinnerte sich später: “Ich weiß nicht warum, aber Patrick sah an diesem Morgen wirklich wieder fit aus. Er war zuvor sehr mager gewesen. Wir hatten stets viel Spaß zusammen und als die Autos vorbereitet wurden, rauften wir ein wenig herum, wie kleine Jungs”. Kurz bevor die Motoren angelassen wurden, kam noch ein Offizieller des Hockenheimrings zu den Alfa Romeo Leuten um ihnen zu sagen, dass die Strecke teilweise noch mit Baggern bearbeitet werden würde, und man die Fangzäune in der Ostkurve noch nicht aufgestellt hatte. Ing. Chiti murrte ein wenig, weil er ja für eine Strecke Miete bezahlt hatte, die den Status “Grand Prix tauglich” haben sollte. Gegen 10:00 Uhr gingen die beiden Alfas auf die Strecke nur um festzustellen, dass man das Getriebe umübersetzen müsse, weil man viel zu früh das Drehzahllimit erreichte. Also baute man die Getriebe um, und schickte Depailler erneut raus um das Auto zu checken. Patrick Depailler fuhr eine kleine Runde durch die Abkürzung hinter den Boxen, und kam kurz an die Box, um zu sagen, dass alles OK sein. Als er gegen Mittag erneut auf die Strecke fuhr, kam er nur noch einmal an der Box vorbei, dann laufen die Stoppuhren ins Leere..... Was war passiert? Die Mechaniker von Alfa Romeo, die mit ihren Privatautos auf die Stercke fahren wollten, wurden von der ONS daran gehindert. Als sich die Mechaniker zu Fuß aufmachten die Strecke nach dem Auto abzusuchen, fanden sie in der Ostkurve den Alfa Romeo Formel 1 Wagen von Patrick Depailler mit den Rädern nach oben hinter den Leitplanken. Damals gab es noch keine Streckenposten, die heutzutage selbst bei Testfahrten Pflicht sind. Und so meldeten die Mechaniker von Alfa via Streckenpostentelefon dem Tower im Start / Zeil Bereich den furchtbaren Unfall. Als nach 20 Minuten der Notarzt endlich eintraf, hatte das Team Depailler, bereits aus dem Auto geborgen. Nun brausten auch Giacomelli und Agnes zur Unfallstelle. Für Bruno Giacomelli bot sich ein Bild des Grauens, Depailler lag bewußtlos am Boden, bewegte sich aber noch, die Pupillen seiner Augen öffneten und schlossen sich ständig. Giacomelli sah den Helm Patricks auf dem Asphalt liegen, und erschrak! Aus dem Helm war ein großes Teil an der Stirnseite herausgebrochen. Bruno wußte, dass Depailler starke Hirnverletzungen davongetragen haben mußte, weil das Zucken des Körpers und das “Rapid Eye Movement” darauf schließen ließen. Als Depailler gegen 13:00 Uhr nach Heidelberg in die Uniklinik geflogen wurde, standen die Chancen für ihn bereits schlecht. Man stellte neben mehrfachen Brüchen an Armen und Beinen einen Schädelbasisbruch und schwere innere Blutungen fest. Noch bevor die Spezialisten der Uniklinik operieren konnten, starb Patrick Depailler. Frankreich hatte einen seiner Helden verloren, der auf den Tag genau 21 Jahre nach seinem großen Idol Jean Behra, starb. Behra hatte am 1. August 1959 ebenfalls auf einer Deutschen Rennstrecke, der Avus den Tod gefunden. Was wirklich zu Depaillers Unglück geführt hatte, ist bis heute nicht geklärt. Fest stehen nur drei Dinge. Erstens war die Unfallursache mit Sicherheit ein technisches Gebrechen, wodurch der Alfa aus der Bahn geworfen wurde. Zweitens hatte die damals hochgelobte ONS Sicherheitsstaffel kläglich versagt. Es war ein schwerwiegender Fehler zu glauben, dass es ausreichen würde, die Fangzäune die einen sich drehenden oder entgleisenden Wagen zumindest abbremsen konnten, erst vor dem Rennen aufzustellen. Und drittens, kein Fahrer hätte in dieser Situation mit ca. 270 Km/h eine Chance gehabt, das Fahrzeug abzufangen. Die von Alfa Romeo eiligst gestreuten Gerüchte, dass Depailler, der starker Raucher, und auch dem Wein nicht abgeneigt war, eventuell einem Herzschlag bekommen hätte, konnten die Ärzte sehr bald schlüssig widerlegen. Als Enzo Ferrari im Herbst 1980 einen Brief an die Mutter von Patrick Depailler schrieb, bekam er Wochen später ein Antwortschreiben in dem Patrick’s Mutter erklärte, dass ihr Sohn für den Tribut des Fortschritts sein Leben gelassen habe. Zwei Jahre nach dem Tod Depaillers, verbreitete sein alter Widersacher James Hunt, das Gerücht, dass sich Depailler womöglich umgebracht hätte. Beweisen wollte er diese These mit dem Besuch Depaillers bei Lloyds in London, wo dieser nur drei Wochen vor seinem Tod eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte. “Alles Blödsinn”, erwiderten Depaillers Ex-Kollegen, “Patrick liebte das Leben”!!

Als ein kleiner, siebenjähriger Junge an jenem 1. August 1980 zu Hause vor dem Fernseher saß, um sich ein Kinderprogramm anzusehen, wurde dieses unterbrochen, und er erfuhr so, dass sein Vater soeben gestorben war. Später studierte er Jura an der Universität von Clermont Ferrand, ehe ihm ein ehemaliger Freund seines Vaters einen Rennfahrerlehrgang in Magny Cours schenkte, den Loic Depailler, im alter von 21 Jahren, sehr zum Leidwesen seiner besorgten Mutter, haushoch gewann. Danach wurde er Formel Renault Meister und 1996 beschloß er in Amerika sein Glück zu versuchen. 1996 knackt er als erster und bislang einziger den Formel Ford Rundenrekord von Paul Tracy in Lime Rock, danach fuhr er für Mosler den Raptor und den MT 900 in der Nordamerikanischen Straßenmeisterschaft, deren Gesamtwertung er 1998 nur knapp verpaßte. Im Jahr 2000 stoppten Geldsorgen seine Karriere als Rennfahrer. Heute ist Loic Journalist des Magazins “Moto Revue” , jener Zeitschrift die seinen Vater als Kind einst so sehr begeistert hatte.

Es war Hans-Joachim Stuck, der vor kurzen erst sagte, dass Depailler der letzte Rennfahrer der alten Garde gewesen war, ein Gentleman Driver, der mehr in die Zeit der 30er Jahre als in die 70er Jahre gepaßt hätte.

 

Stefan Schmidt